„Die Buchbinderin von Oxford“ von Pip Williams


Wieder ist ihr ein wunderbarer historischer Roman gelungen, ein wenig feministisch, gegen Klassismus und Ableismus und dennoch ohne den Betonpfahl zu schwingen.

Hier erzählt Pip Williams die Geschichte der einundzwanzigjährigen Zwillingsschwestern Peggy und Maud, die fünf Jahre zuvor ihre Mutter verloren haben und nun als Buchbinderinnen für ihren Lebensunterhalt arbeiten und zusammen auf einem engen Hausboot leben. Dieses ist mit Büchern vollgestopft, denn Peggy liest all die Bücher, die sie bindet auch, doch sie hat mit 12 Jahren die Schule verlassen und kümmert sich jetzt um ihre Schwester. Diese ist seit Geburt etwas anders, spricht nur wenig, scheint Worte nur zu wiederholen und trotzdem alles zu verstehen. Peggy hat ihren Traum, einmal selbst zu studieren schon lange begraben, als der erste Weltkrieg ausbricht und sie Freundschaft mit Gwen schließt, einer jungen Somerville-Studentin aus gutem Hause.

Es kommen belgische Flüchtlinge nach Oxford, die in der Buchbinderei arbeiten. Darunter ist Lotte, die traumatische Erfahrungen gemacht hat, über die sie nicht spricht, und die sich eng an Maud anschließt. Peggy meldet sich zum Freiwilligen Vorlesen der Kriegsverletzten und lernt dabei Baastian kennen, einen belgischen Soldaten,der sein halbes Gesicht verlor.

Als sich ihr die Gelegenheit bietet, sich mit einem Stipendium für Somerville zu bewerben, wagt sich Peggy daran, ihren Traum zu verwirklichen und meldet sich für die Prüfungen an.

Unterstützt wird sie in Briefen von Tilda, einer Freundin ihrer verstorbenen Mutter, die als Kriegskrankenpflegerin von der Front berichtet und ihrer Freundin Gwen.

Ein üppiger Entwicklungsroman im Oxforder Büchermilieu, zwischen zu falzenden Seiten, frisch geklebten Buchdeckeln und hohen Bibliotheksregalen, der den Kampf um Gleichberechtigung der Frauen der Arbeiterklasse ebenso schildert, wie die Schrecken des Krieges. Maud und Peggy wachsen einem wirklich ans Herz und zeigen, dass man sich auch von Rückschlägen oder Einschränkungen nicht aufhalten lassen darf.

Wieder eine sehr vergnügliche Leseerfahrung mit Querverweisen auf den Vorgängerroman „Die Sammlerin verlorener Wörter“, aber auch allein lesbar.

Aus dem Englischen von Christiane Burckhardt, Heyne 2023

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