„Reichlich spät“ von Claire Keegan


In dieser kurzen Erzählung steckt soviel Einsamkeit, Wut und Unverständnis, dass es beinahe ergreifend ist. Doch die Perspektive dieses irischen Mannes, Cathal, ist in ihrer Beschränktheit erschreckenden abstoßend.

Cathal hat Sabine kennengelernt und eine Beziehung mit ihr. Sie ist Französin und kocht gut und sie kleidet sich in einem angenehmen Stil. Er macht ihr einen Heiratsantrag und nach einer Weile, willigt sie ein in ein gemeinsames Leben.

Doch ihre Fragen nach Beziehungen zwischen Mann und Frau, nach seinen Vorstellungen von der Ehe verwirren ihn. Er ist chauvinistisch- irisch erzogen und hat sich kaum Gedanken über Frauen gemacht, ihre Individualität, ihre Wertschätzung.

Er mag es nicht, dass er das Geschirr abspülen muss, wenn sie sehr lecker gekocht hat, dass sie teure Kirschen  kauft und beim Lieferdienst bestellt. Dass sie Dinge eben anders macht, als er es gewohnt ist.

Dementsprechend ist er genervt, als einen Monat vor der Hochzeit die Habseligkeit von Sabine eintreffen, er plötzlich viele Schuhe und weibliche Pflegeprodukte in seinem Haus findet. Zu viel Wirklichkeit, sagt er und die ahnungslose Selbstverständlichkeit, mit der seine misogyne Einstellung verbal und nonverbal transportiert, öffnet nicht nur der Leserin die Augen.

Ein stilles, trauriges Buch, das in mir eine resignierte Wut hinterließ.

Aus dem Englischen von Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser, Steidl 2024

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