„Am Meer“ von Elizabeth Strout


Corona bricht aus in New York und in das Leben der Schriftstellerin Lucy ein und ihr Ex-Mann William, ein Wissenschaftler, überredet sie, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Sie verbringen gemeinsame Monate in einem alten Haus am Meer in Maine, während ihre gemeinsamen Töchter ebenfalls aufs Land ziehen.

Die Abgeschiedenheit und Einsamkeit vermitteln Lucy ein Gefühl von Realitätsferne, sie macht sich große Sorgen um ihre Kinder, kann weder lesen, noch schreiben, noch sich konzentrieren.

Die Gegenwart besteht in den täglichen Fernsehnachrichten, die von einer tiefen Spaltung der Gesellschaft zeugen.

Auch in Maine werden sie zunächst als Eindringlinge und gefährlich Touristen abgelehnt, bis sie allmählich Freundschaften knüpfen.Doch die Angst, die Hilflosigkeit und Trauer dringen bis in ihrer Abgeschiedenheit 

Dies ist ein stark reflexives Buch, das anhand von Alltagsbanalitäten kleine Geschichten und Anekdoten zur Frage der Menschlichkeit, der Verantwortung und des Miteinander verhandelt, ohne dabei die Fehlbarkeit des Einzelnen zu vergessen. Neben Ereignissen wie Fehlgeburten und den zahlreichen Todesfällen, zeigen die Berichte um den rassistischen Mord an George Floyd, die Demonstrationen gegen Rassismus und die Radikalisierung der Trump-Anhänger das Spannungsfeld an, in dem das Leben zeitgleich auf verschiedenen Ebenen, in verschiedenen Zusammenhängen stattfindet. Doch auch Glück ist noch möglich, wie das Wiederfinden einer Halbschwester oder einer alten Liebe, beschützt und überragt von dem alten Wehrturm am Meer.

Ein ruhiges Buch dieser wunderbaren Autorin, das mich menschlich und literarisch vollkommen überzeugen konnte.

Deutsch von Sabine Roth, Luchterhand 2024

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