„Das Erbe“ von Vita Sackville-West


In dieser kleinen Novelle erzählt die Autorin die Geschichte eines kleinen Versicherungsangestellten, der von seiner Tante ein großes altes Anwesen erbt, das heruntergekommen und überschuldet ist und das er nun mit Hilfe einiger geschäftstüchtiger Makler zum Verkauf anbietet.

Als er aber das Gebäude, den Park und die Ländereien das erste Mal betritt und einige Zeit dort wohnt, um die geschäftlichen Dinge auf den Weg zu bringen, spürt er plötzlich eine seltsame Vertrautheit, das heimelige Gefühl eines Zuhauses, das ihm einerseits eine große innere Ruhe, andrerseits zunehmenden Schmerz bereitet, da er das Anwesen selbst nicht behalten kann.

Seine Gänge durch die Natur, seine zunehmende Verbundenheit mit diesem außergewöhnlichen und doch sehr altmodischen Ort spiegeln gewiss die Gefühle der Verfasserin Vita Sackville-West, die aufgrund der gesetzlichen Erbfolge das große Schloss, in dem sie aufwuchs, den Park und all ihre Möbel an einen Cousin verlor, da sie selbst als einziges Kind des Besitzers eine Frau und damit nicht erbberechtigt war.

Die etwas pathetischen Stellen in dem Buch werden durch wunderbar ironische Figurenbeschreibungen wettgemacht und der Geist der Tradition immer wieder augenzwinkernd beschworen.„Er gestattete sich einen kleinen Zornesausbruch gegen die Tradition, die er hasste, beneidete und verachtete.“

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, denn neben der aristokratischen Britishness, samt Pfauen, Windhund und ergebenem Butler, ist es auch ein leiser Entwicklungsroman, der ermuntert, Risiken einzugehen.

„Zu wissen, was man wirklich wollte, zu wissen, was einem wirklich wichtig war, und geradewegs darauf loszumarschieren – war das nicht eine einfache, nützliche Weisheit? Sie war so einfach, sie tat niemandem weh und schien doch von wenigen erlernt zu werden.“

Aus dem Englischen von Irmela Erckenbrecht, Schöffling 2023

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