„Wilde Erbsen“ von Mariken Heitmann


Viel passiert nicht in diesem Buch, dafür wird viel nachgedacht und vieles überliefert.

Elke, eine Biologin, die Kürbisse genetisch verändert, kündigt ihren Job, um auf einer Insel das Saatgut alter Erbsen anzupflanzen, sie wieder „auszuwildern“ in eine unmanipulierte Art.

Auf der Insel lebte einst ihr Onkel in einem alten Haus und während sie den Garten auf die Aussaat der Erbsen vorbereitet, stellt sie ihre Überlegungen an:

Zur zwittrigem Geschlechtlichkeit der Erbsen. Zur Manipulationsneigung des Menschen. Zur Dogmatik starrer Dualität in der menschlichen Gesellschaft, wie sehr dies der Natur widerspricht und wie sehr es sie selbst einengt. Wie sehr es sie anstrengte, das Mädchen zu sein, wo doch in ihr ein Pirat steckte, oder ein scheues Tier.

„ Manchmal gelangen unsere Geschichten wie zwei Negative zur Deckung. Und ich sehe mich, drei Butterbrote hoch, mit einem Bein in der Falle landen, mein ganzes Fell zittert, während ich darauf warte, von jemandem gefunden zu werden, der an die falsche Geschichte glaubt.“

Dazwischen gibt es Kapitel, in dem ein Ahnenchor die Geschichte der Ra erzählt, die neuntausend Jahre zuvor mit ein paar Erbsensetzlingen dem Hungertod entflieht und bei einer anderen Sippe Aufnahme erfährt, die einem Göttinnensteinhuldigen und deren Anführer ein kastrierter Seher ist.

Hier wird der Ursprung des Bauerntums, des Setzens und Züchtens von Pflanzen beschrieben, eine Linearität hergestellt, die aufzeigt, wie sehr der Mensch schon immer die Natur dominierte, die eigene inklusive.

Elke möchte sich nicht mehr in eine vorgefertigte Rolle strecken, steht in ständigem inneren Streit mit der Frau, die sie nie geworden ist, die ihr Ratschläge zu femininem Verhalten gibt, die Elke ablehnt und sich lieber eine Socke in die Hose stopft. Dennoch will sie kein Mann sein, nur weil sie keine Frau sein will, sich fühlt wie eine „Sonderkategorie,(…) eine farblose Kaste von Unfrauen“

Ein lesenswerter, phantasievoll intelligenter, sehr ungewöhnlicher Entwicklungsroman, der Mut macht, sich selbst zu erkunden und sich nicht in vorgefasste Schemata pressen zu lassen.

„Könnte ich doch nur auch so in mich selbst hinabsteigen! Dann würde ich dort eine Probe nehmen und alles, Schicht für Schicht, sezieren, um einen Blick auf das Ungeformte zu werfen. Aber die Zeit ist eine Rohrkopfegge, die alles zu einem Einheitsbrei vermengt.“

Aus dem Niederländischen von Christiane Burkhardt, Klett Cotta 2024

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