„Sissinghurst – Portrait eines Gartens“ Vita Sackville-West und Harold Nicolson


Das unkonventionelle bisexuelle Ehepaar Vita (Schriftstellerin) und Harold (Diplomat) lebte zwar nicht ununterbrochen eng zusammen, da Harold viel auf Reisen war, und sie pflegten beide Liebesbeziehungen zum gleichen Geschlecht. Aber sie waren stets in Liebe und in ihrem großen gemeinsamen Abenteuer und Projekt des Sissinghurst-Gartens vereint, das 1930 begann.

Dieses kleine Schloss aus dem 16. Jahrhundert war vollkommen heruntergekommen, nachdem es Gefängnis und Armenhaus gewesen war. Doch zwischen all dem Schutt  aus Sardinenbüchsen und verrottenden Latrinen, der um das Haus mit dem hohen Turm herumlag, konnten sie erkennen, dass er dort wartete „Dornröschens Garten. Ein Garten der nach Befreiung schrie“.

Doch zunächst war nur der Turm bewohnbar, später wohnten sie im South Cottage und mussten zur Küche quer durch den Garten ins Priest House laufen.

Harold plante lange Blickachsen die zu überraschenden Räumen intimer und romantischer Natur führten. Und Vita pflanzte.

„Niemand, dem Blumen wirklich etwas bedeuten, möchte sie in Mustern angeordnet haben, als wären sie Teppiche aus Shiraz oder Isfahan. Die meisten kultivierten Menschen ziehen den Schatten eines lieben, alten Familienbaums dem Prunk eines Rondells vor.“

Sie legten auf den 28qkm für jede Jahreszeit einen Garten an, dazu einen Rosengarten, Bauerngarten und zahlreiche Alleen (Pappelalle, Eibenallee, Nussallee)

„Rhododendren sind für uns wie korpulente Börsenmakler, die wir nicht zum Essen bei uns haben wollen.“

In diesem Buch wird anhand von Radio-und Gartenkolumnen der beiden Eheleute, ihrer Tagebucheinträge und Briefe, die Entstehung dieses einzigartigen Gartens nachvollziehbar gemacht. Die alltäglichen Geldsorgen, die Fragen nach den Pflanzen, das Wachstum der Bäume , das Anlegen des Teichs und hochziehen weiterer Mauern sind nur anhand der schieren Mengenangaben zu begreifen. An einem Tag werden fünf Akazien gepflanzt, an einem anderen 400 Zwiebeln gesetzt oder 600 Lilien eingebracht. Vita hatte eine Voliere mit 20 Wellensittichen und über hundert weiße Tauben sowie ein Orchideenhaus .

„Die Papageientulpen waren wirklich wundervoll, emailliert wie Battersea-Porzellan.“

Im Krieg wurde ihre Bibliothek gegen Gas abgedichteter Zufluchtsort für die Nachbarn, ein Wachposten mit Helm und Gewehr wurde auf dem Turm postiert und eine Bombe schlug im angrenzenden Feld ein. Dennoch war Vitas Motto „Lasst uns Pflanzen und fröhlich sein, im nächsten Herbst sind wir vielleicht alle ruiniert.“

Als nach dem Krieg ihr Gedicht „The Garden“ den Heinemann Preis gewann, wurde das Preisgeld umgehend in tausende Narzissen und Azaleen investiert und in den Folgejahren machte ihre Gartenkolumne ihr Zuhause zum berühmtesten Garten Englands.

Ein sehr persönliches Buch voller Gartendetails und Bonmots. Für Freunde der Gartenkunst sehr zu empfehlen.

„Gleich hoher Sommerblumen wie Damast so fein

schiessen Giebel und Turm in den Himmel hinein;

mit Efeufingern fällt kriechend her

die Natur über rosiges Mauerwehr.“

Zusammengestellt von Julia Bachstein, aus dem Englischen von Susanne Lange, Schöffling 2024

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