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„Was nicht alles“ von Rose Macaulay

Rose Macaulay (1881-1958) war zu ihrer Zeit eine erfolgreiche britische Schriftstellerin, ist jedoch nur mit wenigen Werken auf deutsch erschienen und hier und heute nahezu unbekannt. Glücklicherweise hat der AVIVA-Verlag eines ihrer bekanntesten Bücher, eine Dystopie aus dem Jahr 1919, nun erstmals auf deutsch herausgebracht.

Es beschreibt das Leben von Kitty und Ivy, die beide im Ministerium für Vernunft in einer ungewissen Zukunft nach dem ersten Weltkrieg arbeiten, in einem England, das die Dummheit ausrotten und den Menschen nicht nur vorschreiben will, was sie denken sollen, sondern auch, wen sie heiraten. 

„Es sei schließlich die althergebrachte christlich-heidnische Dummheit gewesen, die England zu dem gemacht habe, was es war; die Eingeborenen des Guten Alten England hätten immer schon den übermäßigen Scharfsinn abgelehnt.“

Die verbotenen Hochzeiten zwischen Liebenden unterschiedlicher geistiger Kategorien führen zu hohen Strafzahlungen, ausgesetzten Babys oder deren Entsorgung. 

Dass die Propagandaabteilung des Vernunftministeriums das „Gesetz zum geistigen Fortschritt“ zu verbreiten versucht, kann allerdings nicht verhindern, dass ausgerechnet die kluge und A-zertifizierte Kitty sich in den Propagandaminister verliebt, der aufgrund zweier kranker Geschwister gar nicht zu Liebe und Fortpflanzung zugelassen ist.

„Dass er geistreich sein könnte, wusste Kitty bereits; jetzt erkannte sie plötzlich, dass er auch lieb sein konnte – ein schlimmes Wort, aber es schien kein anderes zu geben.“

Dies ist aus der ironisch gespitzten Feder Macaulays vor hundert Jahren wunderbar trocken geschrieben und wirkt dennoch vertraut, denn Regierungschaos ist den Briten auch heute nicht fremd. Humoristisch und skurril wirkt die Erzählung, die eine Vorläuferin anderer Dystopien wie „1984“ oder „Farm der Tiere“ ist. Ganz nebenbei lässt sie den auch damals in England zunehmenden Antisemitismus aufblitzen und thematisiert geradezu gruselig hellsichtig die Entmenschlichung der Gesellschaft durch das Ausrotten vermeintlich Minderintelligenter, was später von den Nazis grausam in die Tat umgesetzt wurde.

Wunderbar böse, erschreckend prophetisch und dennoch unterhaltsam.

Aus dem Englischen und mit einem Nachwort versehen von Josefine Haubold , AVIVA 2022

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