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„Alef“ von Katharina Höftmann Ciobotaru

Diese Familiengeschichte hat mich total überrascht, denn ich hatte eher eine Love-Story erwartet. Aber das Buch beginnt bei den Großeltern der in der DDR geborenen Maja und des Israelischen Eitan. So spinnt die Autorin zunächst ein Geflecht aus Familienbiografien, das sich von Deutschland und Bulgarien, über den Irak bis nach Israel erstreckt und aus dem die beiden Kinder Maja und Eitan auftauchen wie aus einem Meer an Erzählungen, bedeckt mit den jeweils sehr eigenen Erfahrungen, Werten, Einstellungen. In Majas Knochen steckt all die DDR- und Nazivergangenheit ihrer Vorfahren, Eitan spürt die starre Bürde der den Holocaust überlebenden deutschen Großmutter und die Lebensfreude der irakisch-orientalischen Juden.

„Der ständige Kampf- und Überlebensmodus gehörte zu ihrem Land wie Hummus und Olivenöl. Sie waren ein Volk mit einem Schwert in der Hand, auferstanden aus Leichen- und Aschebergen.“

In diesen Stoff nun wickelt die Autorin die Figuren ein, erschafft einen Liebes-Kokon, in dem die beiden dennoch niemals nur sie selbst sein können, umhüllt von Vergangenheit, Schuld und Trauer.

Da ist die Ehrgeizige Mutter von Maja, die schon in der DDR Karriere machte und der Vater, den der Mauerfall komplett überfordert. Die flippige Tante, die nur einen Plattenbau im Osten mit einem Hochhaus im Westen vertauscht hat, als sie über die Grenze floh und die später Nazidolche an ihre Wand hängt. Die stolze Mutter Eitans, die noch immer um ihren Bruder Mortechai trauert, der im Jom-Kippur-Krieg fiel und der strenge Vater Itzchak.

Eitan und Maja verlieben sich, doch ihre Wurzeln, Religion und Familiengeschichte machen es ihnen schwer, zusammenzubleiben. In ihrer Beziehung spiegeln sich die Beziehungen von Deutschland und Israel, Christentum und Judentum, Tätern und Opfern und die Frage, wie man damit leben und sich lieben kann, ob es Vergebung gibt oder kollektive Schuld und Angst. 

Sprachmächtig, Humorvoll und dennoch mit großer Ernsthaftigkeit schafft es die Autorin, die Personen widersprüchlich, eitel, unsicher oder ehrgeizig zu zeichnen, ohne sie jedoch zu verraten. Dabei wird viel erzählt und beschrieben, Dialoge scheinen nicht wirklich eine Stärke der Autorin zu sein. Doch sie beherrscht anderes, was ein gutes Buch ausmacht: Den Perspektivwechsel, die Möglichkeit, jüdische Sichtweisen, Innenansichten und Gedanken sowie die Fragen dazu kennen zu lernen und sich mit ihnen vertraut zu machen, um Fremdheit und Antisemitismus in der Welt ein kleines bisschen zu verringern.

Mit diesem Buch ist das der Autorin definitiv gelungen.

Ecco 2021

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